Einfamilienhaus Purkersdorf
Niedrigenergiehaus in Purkersdorf
Optisch und ökologisch verträglich
von Franziska Leeb (Der Standard 17./18. Mai 2003)
Ein Wienerwaldhaus neuen Zuschnitts plante Thomas Abendroth
für eine Familie in Purkersdorf.
Was lange eine Domäne des österreichischen Westens war, wird nun auch im Osten von Bauherren immer stärker nachgefragt und von Architekturbüros angeboten: solares und ökologisches Bauen. Kein Wunder also, dass beim Großen Österreichischen Solararchitekturpreis 2003, bei dem die Einreichungen nicht nur nach energietechnischen, sondern löblicherweise auch nach architektonischen Kriterien bewertet werden, zwei niederösterreichische Häuser unter den Preisträgern waren.
Eines davon in Öhling von den Architekten Poppe und Prehal wurde bereits vorgestellt (DER STANDARD, 10.11.2001). Das zweite stammt von Architekt Thomas Abendroth und zeigt ebenfalls, dass die architektonische Qualität nicht unbedingt unter den Zwängen der Ökologie k.o. gehen muss. Es füllt eine schmale Baulücke in einer historisch gewachsenen Siedlung, wie sie für den Wienerwald typisch ist. Die mögliche Breite wurde ausgenutzt, dennoch wirkt das Haus nicht ins Grundstück hineingezwängt.
Der Architekt hat sich einiges einfallen lassen, um den Baukörper in die Höhe zu strecken und die horizontale Ausdehnung möglichst wenig wirken zu lassen. Die Zweiteilung der Fassadenmaterialien ist eine Maßnahme: Wo der Bau am höchsten ist, wurde er in eine homogene Schicht aus Lärchen-Dreischichtplatten eingepackt. Die andere Hälfte ist mit einer Bretterschalung verkleidet, die auch noch als Terrassenbrüstung über die Haushöhe weitergezogen wurde, um den Turmcharakter zu betonen. Fensteröffnungen sind sparsam gesetzt. Er möchte mit dem Einsatz von Glas bewusst umgehen, sagt Thomas Abendroth. Denn die Energiegewinne durch große Fensterflächen würden oft überbewertet, die Überhitzungsgefahr hingegen gern unterschätzt.
Es ist bereits etwas Phantasie notwendig, um vom Äußeren auf das – übrigens sehr weitläufige, aber dennoch in vielfältige Rückzugsbereiche gegliederte – Innere zu schließen. Die große Überraschung kommt aber ganz oben. Hier liegt nur ein Arbeitsraum, umgeben von einer breiten, nach Süden und Osten orientierten Dachterrasse. Sie dient als uneinsehbares Sonnendeck und luftiger Kinderspielplatz.
Mittlerweile hat sich das Gebälk der Pergola auch als vortreffliche Halterung für Schaukel und Trapez erwiesen, was für den Solarpreis aber weniger ausschlaggebend war. Mehr zählte da schon die ganz auf Umweltverträglichkeit ausgerichtete klima:aktiv Bauweise. Es handelt sich um einen mit Zellulose gedämmten Holzriegelbau, dem Stahlbetoninnenwände als Aussteifung und Speichermasse dienen.
Obwohl energietechnisch „nur“ ein Niedrigenergiehaus, kamen einige Elemente aus dem Passivhaus Standard zur Anwendung, um die bauphysikalischen Werte zu optimieren. Dazu zählt die kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmepumpe und Wärmerückgewinnung, womit der größte Teil des Raumwärmebedarfs abgedeckt und das Warmwasser bereitet werden. Ein Pelletsofen im Wohnzimmer und elektrische Heizkörper im Bad unterstützen während der kalten Jahreszeit. Die Fenster mit ihren sehr schlanken Profilen sind ebenfalls Passivhaus tauglich. Sie stammen aus norwegischer Produktion und haben die Sonnenschutzjalousie hinter der äußersten Schicht der Dreischeibenverglasung integriert.
„Ein Haus mit niedrigen Betriebskosten gibt Sicherheit“, sagt Architekt Abendroth, den energiebewusstes, ökologisches Bauen schon seit seinem Studium interessiert. Nicht nur die weitgehende Unabhängigkeit von Energiepreisen sei ein gutes Argument für Heizsysteme auf Basis einer kontrollierten Wohnraumlüftung. Die Anlagen können auch mit Pollenfiltern ausgestattet werden und so das Leid von Allergikern lindern, da für ein gut durchlüftetes Raumklima auch bei geschlossenen Fenstern gesorgt ist.
Haustechnikplanung: E-Plus
Statik: Holz und Solar, D.I.FH Thomas Willemsen
Fotos: Hannah Heszl, Wolfgang Stadler
Auszeichnung beim Großen Österreichischen Solararchitekturpreis 2003
für die Verbindung von höchster Architekturqualität und besonderer energietechnischer Leistungen
Aus dem Juryprotokoll:
Eines ist klar, unter dem Aspekt des Energiebedarfs ist das freistehende Einfamilienhaus die problematischste Bauform, unter den Aspekten einer nachhaltigen Flächenbewirtschaftung, der Infrastrukturkosten und der Raumplanung sowieso. In einem Punkt sind sich die Kritiker jedoch einig. Eine Nachverdichtung, wie sie mit dem Haus in Purkersdorf praktiziert wird, ist nicht nur zulässig, sondern auch sinnvoll und wünschenswert. In einer historisch gewachsenen, typischen Wienerwaldsiedlung füllt dieser Bau eine Lücke, ergänzt und bereichert sie punkto Vielfalt und verdichtet die Identität des Ortes weniger im wörtlichen Sinne der Bauformen als vielmehr im Sinne ihrer Atmosphäre. Etwas von der Leichtigkeit und Lebenslust einstmaliger Sommerfrische und Schrebergärten atmet hier. Wohltuend unprätentiös versteckt sich hinter dem lärchenverkleideten Holzriegelbau eine „Wienerwaldvilla“.
Die Themen solares und ökologisches Bauen sind vom österreichischen Westen im Osten angekommen! Eingeengt in der Breite, streckt sich dieser Bau in die Höhe und hebt den intimsten Freibereich von der rundum einzusehenden Gartenebene hinauf auf das Dach. Als Dachterrasse thront über den Nachbardächern und dem beachtlichen Baumbestand das Solarium. Über ihre Haut können hier die Bewohner selbst die Sonne speichern. Die Qualitäten dieses Hauses beschränken sich allerdings nicht auf den Außenraum und die äußere Erscheinung. In kluger, räumlich ausbalancierter Weise werden, den „Zwängen“ des Energiethemas ent- sprechend, innen die Räume geschichtet. Die Bezugnahme auf den Außenraum spielt in jedem Teil des Hauses mit und die innere Großzügigkeit und Weitläufigkeit geht nirgendwo auf Kosten der Individualität von Einzelbereichen. Dieses Haus macht das Thema Solararchitektur mit allen Sinnen erfahrbar!
Text: Arch. Prof. Roland Gnaiger
Goldene Kelle 2003
Im Rahmen des Gestaltungs-Wettbewerbs von Niederösterreich Gestalten wurde das Projekt mit der Goldenen Kelle als Anerkennung für die vorbildliche Planung ausgezeichnet.